Köln | Gastbeitrag | Am kommenden Dienstag wird der Rat der Stadt Köln darüber entscheiden, wie die in Köln-Buchforst gelegene Hochdeponie Kalkberg saniert werden soll. Auch über die weitere Zukunft der auf der Deponie errichteten Hubschrauberbasisstation (HBS) soll bei dieser Gelegenheit debattiert werden. Das Projekt ist in der Bürgerschaft der betroffenen rechtsrheinischen Stadtteile hochumstritten, da neben dem Fluglärm weitere negative Auswirkungen auf die dichtbesiedelte Region befürchtet werden. Ein Gastbeitrag von Diplom Geologe Tim Scheuch.

Über die Grenzen Kölns hinaus hat der Kalkberg Berühmtheit erlangt, da beim Bau der HBS die Statik der Deponie schwer beschädigt wurde und der Hangar der Station dramatisch absackte. Da die von der Stadt Köln beauftragten Gutachter sogar ein Deponieversagen befürchteten, musste ein auf dem Zentrum der Deponie aufgeschütteter Hügel mit einem Gesamtgewicht von ca. 50.000 t wieder vollständig abgebaggert werden. Die so entlastete Deponie hat sich nun weitgehend stabilisiert und die Setzungen sind abgeklungen.

Auf der Bürgerversammlung am 15. Juni im Kölner Odysseum hatte der Gutachter Prof. Brenner Gelegenheit die Ergebnisse seiner Untersuchungen den Kölner Bürgern vorzustellen. Demnach ist der Kalkberg ein dringender Sanierungsfall, da die Deponie vollkommen instabil ist. Mit der Bemerkung: „Sie hatten 40 Jahre den Papst in der Tasche“, brachte der Gutachter die Sicherheitsproblematik des Kalkbergs auf den Punkt.

Zur Untersuchung der Schichtfolge und der Statik der Deponie wurden insgesamt vier Bohrungen durch den Deponiekörper bis zu dessen Basis abgeteuft. Erschlossen wurden bei den Bohrungen im Kern der Deponie Kalkschichten, die zum Teil so weich und fließfähig sind, dass das Bohrgestänge bei der Bohrung an der Nordflanke allein durch sein Eigengewicht bei einer Tiefe von 28 bis 30 m ohne Schlag durchfiel. Im Ergebnis heißt das, dass der Kalkberg wenigstens partiell auf einer Blase aus weichen und fließfähigen Kalkschlämmen ruht. Dies macht eine Sanierung der Deponie und ihrer viel zu steilen Flanken unumgänglich. Für die Sanierung wurden Kosten von 7,9 Mio. € angesetzt.

Erstaunlicherweise haben es die Verantwortlichen in den Reihen der Stadt Köln jedoch verabsäumt mit Hilfe der gewonnenen Bohrkerne das Schadstoffinventar der Deponie erstmalig vollständig zu dokumentieren. Dies ist umso mehr verwunderlich, da bei wenigstens zwei Bohrungen Schadstoffe erschlossen worden sind. Darüber hinaus konnten die Gutachter offensichtlich kein nutzungsunabhängiges Gutachten zum Kalkberg erstellen, da die von der Verwaltung vorgegebenen Fragen zur Sanierung der Deponie allesamt auf die gleichzeitige Sicherung der Inbetriebnahme der HBS abzielten. So ist unter anderem der teilweise Abtrag des in den 90ziger Jahren auf dem Top der Deponie aufgebrachten Bauschutts der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk (CFK) nicht Gegenstand des Gutachtens. Der Abtrag der Deponieabdeckung würde jedoch die Deponie weiter entlasten und das abgetragene Material könnte bei der Sanierung der viel zu steilen Flanken kostensparend verbaut werden. Hierzu müsste allerdings zwingend die Hubschrauberbasisstation abgerissen werden.

Da dies den hohen Herren in der Verwaltung und bei der Feuerwehr nicht genehm ist, wurde dem Gutachter ein entsprechender Fragenkatalog vorgegeben, der diese Sanierungsvariante indirekt ausschloss. Dies ist nicht das erste mal, dass die Stadt Köln mit äußerst fragwürdigen Methoden versucht das Projekt Hubschrauberbasisstation zu realisieren. So wurden anhand einer Bewertungsmatrix unterschiedliche Standorte im Stadtbereich Köln auf ihre Eignung für die HBS untersucht. Dabei wurden unter anderem folgende Ausschlusskriterien festgelegt: Verfügbarkeit, Luftsicherheit und Naturschutz. Die Ausschlusskriterien Altlasten, Haftungsrisiken und Standsicherheit wurden hingegen nicht in die Bewertungsmatrix aufgenommen. Jedes der letztgenannten Ausschlusskriterien hätte allerdings automatisch zum Ausschluss des Kalkberges als Standort der HBS geführt.

So wurde das Projekt Hubschrauberbasisstation trotz zahlreicher fundierter Einwände aus den Reihen der Bevölkerung durchgesetzt. Bürgeranfragen zur Standsicherheit und Altlastenproblematik des Kalkberges wurden ebenso vom Tisch gewischt wie begründete Einwände zu den Lärmemissionen der startenden und landenden Hubschrauber. Auch der Fund von nicht unerheblichen Mengen Schweröls in einer Senke an der Nordwestflanke das Kalkberges wurde weitgehend ignoriert. Forderungen der Bürgerinitiative Kalkberg nach zusätzlichen Erkundungsbohrungen bis zur Basis der Deponie wurden verworfen. Jede einzelne der unlängst durchgeführten vier Bohrungen am Kalkberg hatte jedoch zum Ergebnis, dass die Deponie für weitere 100 Jahre erhebliches Setzungspotential hat. Der Kalkberg ist damit der ungeeigneteste Standort für eine HBS weit und breit. Mit einer einzigen Bohrung bis zur Basis der Deponie hätte also das Kalkberg-Desaster verhindert werden können. Da verwundert es einen sehr, dass Stadtdirektor Kahlen den Kalkberg noch bis vor Kurzem „als den bestgeeignetesten Standort für die Hubschrauberbasisstation“ bezeichnete.

Nachdem der Bau beschlossen war, wurde es ruhig um die Bürgerinitiative Kalkberg und andere Gruppen, die sich gegen das Projekt engagiert hatten. In den Reihen der engagierten Bürger hatte man allerdings nicht mit dem Dilettantismus der für die Umsetzung des Projektes Verantwortlichen gerechnet. So wurde für den Bau der zentralen Zubringerstraße die Deponie an der Ost- und Nordflanke großflächig angeschnitten. Dabei wurde der äußere Ringwall der Deponie schwer beschädigt und die im Kern der Deponie liegenden weichen Kalkschichten angefahren. Was zur Folge hatte, dass die Statik und damit die Standfestigkeit der Deponie nicht mehr gewährleistet war. Das abgetragene Deponiegut brachte man sodann in Form eines Lärmschutzwalls auf das Zentrum der Deponie auf. Durch die zusätzliche Auflast von ca. 50.000 Tonnen setzte sich nun die Deponie und mit ihr der Hangar. Nun hatte man einen doppelten Sanierungsfall: Eine beschädigte HBS und eine sanierungsbedürftige Deponie.

Es ist kein Wunder, dass dem Kölner Bürger wegen dieses und zahlreicher anderer Bauskandale die Zornesröte ins Gesicht steigt. Obwohl der Stadt Köln in Zukunft ein Zwangshaushalt droht, werden auf einer instabilen und für eine Bebauung vollkommen ungeeigneten Deponie 15, 20, 30 oder vielleicht auch 40 Mio. € im wahrsten Sinne des Wortes verbuddelt. Eine geordnete Sanierung hätte nur einen Bruchteil dieser Summe gekostet. Dazu kann man nur eines feststellen: Um die Augiasställe der Stadt Köln auszumisten, muss man den Rhein umleiten.

Unbestrittenerweise ist der Kalkberg einer der größten Altlasten im Kölner Stadtgebiet. Deponiert wurden im Kalkberg die Produktionsrückstände aus der Düngemittelproduktion der Chemischen Fabrik Kalk. Da man im 19ten und 20ten Jahrhundert nicht nach heutigen Umweltstandards produziert und Rückstände entsorgt hat, muss die Stadt Köln die Kosten der Sanierung tragen. Das heißt aber auch, dass zu Zeiten der aktiven Produktion Kosten für den Umweltschutz auf kommende Generationen übertragen wurden. Die Gewinne  wurden privatisiert und die Sanierungskosten zu Lasten kommender Generationen sozialisiert. Mit dieser Problematik sehen sich viele Kommunen konfrontiert.

Am Kalkberg hat man nun erneut kommenden Generationen Kosten aufgebürdet und zwar durch den unverantwortlichen Plan eine HBS auf der Deponie zu errichten. Hier wollten sich ein paar Goldfasane zu Lebzeiten ein Denkmal setzen und nehmen dafür eine ganze Bürgerschaft über Generationen in Haftung.

In den USA hat man für derartige Vorkommnisse den Begriff der „ Environmental Discrimination“ geprägt. Demnach betrifft Umweltdiskriminierung vor allem unterprivilegierte Gemeinden, Stadtteile und Bevölkerungsgruppen, die kaum Möglichkeiten haben, sich gegen Projekte wie die der Hubschrauberbasisstation zur Wehr zu setzen. Der hohe Anteil sozial benachteiligter Menschen in Köln-Kalk, Buchforst und Deutz soll nun auch noch mit den Lärmemissionen der Hubschrauberbasis beglückt werden. Glücklicherweise hören sie den zusätzlichen Lärm kaum, da er durch den hohen Lärmpegel der nahen Stelzenautobahn der BAB 55a übertönt wird.

Zuguterletzt muss hier noch die Frage gestellt werden, warum Bürgerversammlungen im Rahmen einer partizipatorischen Demokratie überhaupt noch einberufen werden. Sie dienen den Vertretern der regierenden Parteien und den Verantwortlichen aus Verwaltung und Administration scheinbar nur als demokratische Feigenblätter.

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Der Gastautor Tim Scheuch ist Diplom-Geologe und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Deponie am Kalkberg. Zuletzt war er als Diskutant für die Bürgerinitiative Kalkberg auf dem Podium der Bürgerversammlung im Odysseum.

Autor: Gastbeitrag von Tim Scheuch
Foto: Die eingemottete und mit einem Baustopp durch den Kölner Rat versehene Hubschrauberbasisstation der Kölner Feuerwehr auf dem Kalkberg