Berlin | aktualisiert | Nach den jüngsten Anschlägen in Deutschland hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière davor gewarnt, Asylbewerber generell unter Terrorverdacht zu stellen: „Wir sprechen aktuell von 59 Ermittlungsverfahren wegen eines Verdachts der Verwicklung in terroristische Strukturen, und das bei vielen Hunderttausend neu angekommenen Menschen“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die allermeisten Hinweise in diese Richtung hätten sich bisher als unwahr herausgestellt. „Wir dürfen Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht stellen, auch wenn es in einzelnen Fällen Ermittlungsverfahren gibt.“ Das BKA spricht von einer steigenden Zahl von Flüchtlingen, die unter Terrorverdacht stehen.

De Maizière hob die Bemühungen hervor, die Zahl der Neuankömmlinge „nachhaltig auf ein niedrigeres Niveau zu bekommen“. Weil das Leid in der Welt aber nicht weniger werde, „müssen wir einerseits unsere Außengrenzen besser schützen, und andererseits Flüchtlinge auf sicherem und legalem Wege in angemessener Zahl direkt aus Krisenregionen in Europa und damit auch in Deutschland aufnehmen“. Nur könne das Geschäft der Schlepper zerstört werden.

Die Flüchtlingsaufnahme müsse von der Schutzbedürftigkeit des Flüchtlings abhängen und nicht von Erpressungszahlungen an Schlepper, betonte der Minister. Eine legal gesteuerte Aufnahme dient auch der Sicherheit. „Wir können bereits vor der Einreise eine Sicherheitsüberprüfung durchführen“, sagte er.

„Das halte ich für den richtigen und sicherheitspolitisch zwingenden Weg, und daran arbeiten wir.“

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BKA: Mehr Flüchtlinge in Deutschland unter Terrorverdacht

In Deutschland steigt nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) die Zahl der Flüchtlinge, die unter Terrorverdacht stehen und gegen die Ermittlungen laufen. Derzeit liegen den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder 410 Hinweise auf mögliche Terroristen unter den Hilfesuchenden vor, teilte das BKA auf Anfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag) mit. Mitte Mai war noch von 369 Hinweisen seit Beginn der Flüchtlingskrise im vergangenen Jahr die Rede.

In 60 Fällen leiteten die Behörden Ermittlungsverfahren ein. Vor zweieinhalb Monaten waren es erst 40 Verfahren. Das BKA warnte: „Angesichts der anhaltenden Zuwanderungsbewegung nach Deutschland müssen wir davon ausgehen, dass sich unter den Flüchtlingen auch aktive und ehemalige Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen oder islamistisch motivierte Kriegsverbrecher befinden können.“

Die Attentate von Paris hätten gezeigt, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die Flüchtlingsbewegung nutze, um Attentäter nach Europa zu schleusen. Nach Einschätzung des BKA ist die Terrorgefahr in Deutschland weiter hoch: „Europa und auch Deutschland stehen schon seit längerer Zeit im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus.“ Die jüngsten Attentate – etwa von Würzburg – führten aber nicht zu einer anderen Einschätzung der Gefährdung.

„Aktuell liegen uns keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne, auch nicht auf den Bahnverkehr, vor“, schrieb das BKA. Auch die Zahl der islamistischen Extremisten, die sich aus Deutschland auf den Weg nach Syrien gemacht haben, um dort auf der Seite des IS im Bürgerkrieg zu kämpfen, wächst. Nach jetzigem Stand sind laut BKA rund 840 nach Syrien gereist – im Mai waren es erst 800. Gut ein Drittel sei wieder zurück in Deutschland, etwa 70 waren nach Erkenntnissen der Ermittler in Ausbildungslagern oder haben an Kampfhandlungen teilgenommen.

Autor: dts