Köln | Ein unbekanntes Kapitel Kölner Stadtgeschichte schlägt das Stadtmuseum auf: Die Teilnahme der Stadt an der EXPO 1937 in Paris – festgehalten in eindrucksvollen Fotos von Vater und Sohn Schmölz. Sie werden hier erstmals öffentlich präsentiert. Zu verdanken ist die facettenreiche und spannende Sonderausstellung „Köln an der Seine“ einem Zufall und Jacques Offenbach.

Rekonstruktion des Kölner Pavillons im Stadtmuseum. Foto: ehu

Weltausstellung 1937 in Paris – Köln war die einzige Stadt, die sich dabei mit einem eigenen Pavillon auf einem Hausboot präsentieren durfte. Im Foto festgehalten wurden das Ereignis von den Fotografen Hugo Schmölz und dessen Sohn Karl Hugo. Aus ihrem Nachlass sind rund 70 Fotos zu sehen, dazu Plakate, Postkarten und Souvenirs der EXPO.

Eine kleine Rekonstruktion – Tisch und Korbsessel inklusive – lässt etwas von der gemütlichen Atmosphäre erahnen, durch die sich das Kölner Café auf der Seine auszeichnet. Kölner Museen stellten dafür noch einmal einige der Exponate zur Verfügung, die schon vor 80 Jahren für Köln und deutsche Handwerkskunst warben. Zugleich spiegelt die Ausstellung das politische, spannungsgeladene deutsche Umfeld der EXPO wider.

„Gemütlicher“ vs. „martialischer“ Faschismus

Das Kölner Terrassen-Café bildete einen Kontrast zum direkt daneben errichteten „Deutschen Haus“. NS-Hofarchitekt Albert Speer hatte es als riesigen Monument entworfen: ein schnörkelloser faschistischer Machtbau, eher an ein Mausoleum erinnernd, dessen Turm von einem Adler mit Hakenkreuz gekrönt wurde. Direkt gegenüber der Bau der UdSSR, ein Spiegelbild des deutschen, auf dem Turm ein Proletarier-Paar, Hammer und Sichel in den Himmel reckend.

So standen sich die beiden Diktaturen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegenüber. Auch die beiden deutschen Bauten waren – so Stadtdirektor Mario Kramp – nur zwei Seiten derselben Medaille: die martialische Seite des deutschen Faschismus verkörperte das offizielle Haus, die „gemütliche“ das Kölner Café. Die deutsche Presse feierte es als „Musterbeispiel für hohen künstlerischen Wirkungsgrad“ und lobte es, weil es „ohne aufdringliche Propaganda und grelle Reklame“ auskam.

Deutsche Exil-Künstler durften nicht ausgestellt werden

Paris hatte Köln eingeladen, weil man die Stadt eng mit Frankreich verbunden sah. Das NS-Regime gab sein Plazet – mit der Bedingung, dass die Stadt die erforderlichen 30.000 Reichsmark in Devisen selber aufbrachte. Keine lecihte Aufgabe – doch Köln schaffte es mit einem Trick: Man kaufte 28 Ford-„Eifel“ und verkaufte sie an die Pariser Stadtverwaltung. Für die Franzosen war die Teilnahme Kölns der Beweis, dass Hitler keinen Krieg plane. Wohl aber hatte man dem deutschen Wunsch entsprochen, keine deutschen Künstler auszustellen, die im Pariser Exil lebten.

Für Hitler war die Präsentation deutscher Handwerkskunst und Hightech – unter eher barocken Kronleuchtern wurde ein Mercedes-„Silberpfeil“-Rennwagen ausgestellt – dagegen wohl eher eine gezielte Ablenkung von den Kriegsvorbereitungen. Und Köln wurde vom Westdeutschen Beobachter als „treueste Dienerin des ewigen Deutschland“ gefeiert.

Picassos „Guernica“ sollten deutscher Arbeiter nicht sehen

Gegen den Besuch allzu vieler deutscher Arbeiter in Paris hatte Propagandaminister Goebbels allerdings etwas. Und erst recht war der Besuch von Juden nicht erwünscht, denn die würden dort nur hetzen. Immerhin 10.000 Menschen besuchten im Schnitt täglich das deutsche Ensemble, darunter auch die Kölner Roten Funken, wie ihr Reisetagebuch mit täglichen „Feldzugs-Plänen“ belegt. Wer wollte, konnte im spanischen Pavillon auch Picassos Monumentalgemälde „Guernica“ sehen. Er hatte es erst kurz zuvor eigens für die Expo vollendet – eine Anklage des Bombenangriffs auf das spanische Städtchen durch die deutsche Luftwaffe im April 1937.

Nach dem Ende der EXPO wurde das deutsche Haus abgebrochen. Die Stadt Köln kaufte die Sanitäranlage, die Steine kamen an den Aachener Weiher, wo Ein „Kunsthaus“ gebaut werden sollte. In den Nachkriegswirren verschwanden sie. Ein eigens für Paris geschaffener Wandteppich kam erst gar nicht an die Seine, er bildete den Hintergrund für die Feier, in der 1951 AWO-Geschäftsführer und der Gewerkschafter Hans Böckler die Ehrenbürgerwürde erhielten. Auch das zeigt die Ausstellung.

Bei „Kölner Pavillon“ weiß selbst Google – noch – nicht viel weiter

Mario Kramp stieß eher durch Zufall auf diesen weitgehend unbekannten Auftritt Kölns auf der Bühne der Weltgeschichte, als er eine Ausstellung zum 200. Geburtstag des gebürtigen Kölner Komponisten Jacques Offenbach in diesem Jahr vorbereitete. Der hatte sicher auch die EXPO 1855 in der französischen Hauptstadt besucht.

Kramp googelte sich dann durch die nachfolgenden Weltausstellungen in Paris, landete im Jahr 1937 und stieß dabei auf ein „Restaurant de Cologne“. Das war’s dann auch. Doch die Neugier war geweckt, im Archiv des Berliner Außenministeriums wurde er dann fündig: Paris hatte Köln zur Teilnahme eingeladen, ebenso die Kölner Fotografen Vater Hugo Schmölz und sein Sohn Karl Hugo. Deren Nachlass wird von den Kölner Fotografen Wim und Maurice – ebenfalls Vater und Sohn – verwaltet.

Entdeckungsreise durch 100 Jahre Kölner Stadtarchitektur

Daraus und aus den Beständen des Rheinischen Bildarchivs ergab sich auch die Parallel-Ausstellung „Köln am Rhein. Oder: Von Zeit zu Zeit“ im Erdgeschoss der Alten Wache. Ausgangspunkt sind 26 Kölnansichten, die Vater und Sohn Schmölz beginnend in 1920er Jahren bis 1941 machten. 1947 fotografierte Karl Hugo Schmölz die selben Motive, nach Möglichkeit vom selben Standort aus. Marion Maennicken, Helmut Buchen, Wolfgang F. Meyer und Michael Albers – alle vom Rheinischen Bildarchiv – wiederholten dies in den Jahren 1993/94 und 2018. 14 dieser „Quartette“ sind nun ausgestellt und erlauben eine Entdeckungsreise in Geschichte und Wandel der Stadtarchitektur.

[infobox]„Köln am Rhein“, „Köln an der Sine“ – bis 15. Dezember 2019. Kölnisches Stadtmuseum, Zeughausstr. 1-3, 50667 Köln. Tel. 0221 / 221-22398.Öffnungszeiten: Di 10-20 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Umfangreiches Begleitprogramm. Eine App bietet Kindern und Erwachsenen einen interaktiven Ausstellungsrundgang. Zu beiden Ausstellungen sind opulente Begleitbücher erschienen: „Köln an der Seine. Der Kölner Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937“, Greven Verlag Köln, 30 Euro. „Köln am Rhein. Oder: Von Zeit zu Zeit“, Nünnerich-Asmus Verlag & Media, 22 Euro. “

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Hugo Schmölz: St. Aposteln (um 1936). © Kölnisches Stadtmuseum/RBA

Karl Hugo Schmölz: St. Aposteln (1947). © Kölnisches Stadtmuseum/RBA

Helmut Buchen: St. Aposteln (1993/94). © Kölnisches Stadtmuseum/RBA

Marion Mennicken: St. Aposteln (2018). © Kölnisches Stadtmuseum/RBA

Autor: ehu
Foto: Blick von der Terrasse des Kölner Pavillons auf den Eiffelturm. Zu trinken gab’s Bitburger Pils. © Karl Hugo Schmöz / Archiv Wim Cox