Köln | Am Sonntag gedachten hunderte Menschen in Köln-Ehrenfeld der Reichspogromnacht, der Zerstörung der Synagoge in der Körnerstraße, den ermordeten Edelweißpiraten und gehenkten Zwangsarbeitern. Deren Todestag jährte sich zum 75. Mal. Und sie setzten eine Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft.

„Was wir gerade erleben, sind keine Alarmzeichen mehr. Der Nationalsozialismus kehrt zurück“. Mit eindringlichen Worten richtete sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Sonntag an die Teilnehmer einer Gedenkfeier in Ehrenfeld. Vor der ehemaligen Synagoge in der Körnerstraße sowie an der Hüttenstraße am Bahnhof Ehrenfeld hatten sich mehrere hundert Menschen versammelt, um an die schrecklichen Ereignisse während der Nazi-Herrschaft zu erinnern. Die Synagoge war in einem Pogrom abgebrannt worden. An der Hüttenstraße waren am 10. November 1944 unter den Bahnbögen Mitglieder des Widerstands ohne Gerichtsurteil von der Gestapo öffentlich gehängt, darunter auch Jugendliche.

„Viele Ehrenfelder standen genau, wo ihr jetzt steht und haben diesem Spektakel zugesehen“, erinnerte der Musiker Rolly Brings an die Hinrichtung. Mehrere hundert Menschen waren zur Synagoge gekommen, hielten im Gedenken Kerzen in die Höhe, darunter Zeitzeugen und Angehörige der Ermordeten. Anschließend zogen die Teilnehmer über die Venloer Straße zur Hinrichtungsstelle in der Hüttenstraße.

Auch der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges fand eindringliche Worte, um vor dem wieder erstarkten Rechtspopulismus zu warnen. „Die hässliche Fratze des Faschismus zeigt sich wieder“, so Wirges. Laut einer aktuellen Studie seien rund 20 Prozent der Bundesbevölkerung antisemitisch und antifeministisch eingestellt, vor allem jüdische Mitbürger müssten teilweise um Leib und Leben fürchten. Über 1.200 politische rechte Straftaten wurden allein im ersten Halbjahr in NRW verzeichnet. Dass in Thüringen mehrere CDU-Politiker Sondierungsgespräche mit der AfD erwägen, sei „ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die Angst um ihr Leben haben“, mahnte Wirges. „Es ist unsere Aufgabe als Demokraten sich den Rechtspopulisten offen entgegenzustellen!“

Wirges machte die AfD und vermeintlich ihre Wähler als vermeintlich „besorgte Bürger“ mit verantwortlich für den erstarkenden Rassismus und das Klima der Angst. Die Partei ziele auf „eine Demontage unserer Demokratie“. Wirges forderte, dass die AfD endlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsse. Oberbürgermeisterin Henriette Reker rief dazu auf mehr Zivilcourage zu zeigen, wenn Mitbürger bedroht oder tätlich angegangen würden und sofort einzugreifen.

Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes forderte, dass der Rapper Kollegah, dem antisemitische Parolen vorgeworfen werden, nicht im E-Werk auftreten dürfe. Dass der rechte Angriff auf die Demokratie aus der Mitte der Gesellschaft komme, verdeutlichte Ratsmitglied Jörg Detjen (Die LINKE) vom Bündnis „Köln stellt sich quer“: Ein Drittel aller AfD-Abgeordneten in Thüringen sind Polizeibeamte. Noch nie sei die Demokratie in unserem Land von neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Angriffen so herausgefordert worden, mahnte Detjen.

Autor: Julia Katharina Brand
Foto: Auch viele Familienangehörige von Musiker Markus Reinhardt (Geige) wurden als „Zigeuner“ von den Nazis deportiert. Auch sie waren Musiker, wurden gezwungen vor den KZs spielen, um die Deportierten „zu beruhigen.“ Bei der Gedenkfeier spielte das Ensemble einige dieser Stücke, unter anderem einen Walzer. | Foto: Brand