Köln | Es war nur ein inszeniertes Spiel, ein makabres dazu. Dennoch ließen sich die Organisatoren des Aktionsbündnis Gemeinsam für Afrika nicht davon abhalten, mit einem fiktiven Sklavenmarkt auf ein Phänomen unserer modernen Überflussgesellschaft hinzuweisen.

Das liegt nach Angaben von Koordinator Steven Tumler, der für den Kölner Aktionstag eigens aus der Bundeshauptstadt angereist ist, vor allem am medialen Kurzzeitgedächtnis. Im Herbst vergangenen Jahres berichtete der Nachrichtensender CNN von einer Menschen-Auktion in Libyen, wo tatsächlich Flüchtlinge an die Meistbietenden verkauft wurden. Nicht dokumentiert wurde, was die neuen Besitzer mit diesen Menschen anschließend gemacht haben.

Zwar muss das Aktionsbündnis bei ihren Zahlenangaben auf Schätzungen der International Labour Organization (ILO) zurückgreifen, hat also keine eigenen, erhobenen Daten. Das Problem Zwangsarbeit und damit eine moderne Form der Sklaverei, in der den Menschen die freie Entscheidung über ihr Tun unwiderruflich und häufig über einen lebenslangen Zeitraum hinweg genommen wird, ist aber schon länger in Europa und damit auch in Deutschland angekommen. Vor allem in den EU-Südstaaten ist Zwangsarbeit weit verbreitet.

Asien und Afrika machen den Großteil moderner Arbeitssklaven aus

Die „Arbeitgeber“ dieser Menschen, viele von ihnen sind geflüchtet oder besitzen keine Papiere und damit keine offizielle Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, scheuen nicht vor übelsten Machenschaften, wie auch die Beispiele von Menschen zeigen, die heute fiktiv den Besitzer wechselten. Einige müssen auf Tomatenplantagen im Akkord arbeiten, andere in Hinterhof-Küchen oder landen in der Prostitution.

Schätzungen für Deutschland gibt es nicht, aber in Europa soll die Zahl der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter bei rund 900.000 liegen. Der überwiegende Teil der weltweit rund 21 Millionen Menschen in Zwangsarbeit schuftet und schafft in Asien (11,7 Millionen) und Afrika (3,7 Millionen).

Jeder Konsument hat eine Mitverantwortung

Schätzungen, die den Begriff Sklaverei etwas weiter fassen als „Zwangsarbeit“ sehen die Zahl der Betroffenen bei rund 40 Millionen. Ein knappes Viertel (24 Prozent) sind minderjährig. In Tausenden Fällen sind Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung zudem miteinander verknüpft, so die Organisatoren des heutigen Aktionstages.

„Wer glaubt, davon nicht berührt zu sein, täuscht. Jeder deutsche Konsument hält sich zur Aufrechterhaltung seines Konsumniveaus im Durchschnitt 60 Sklaven“, wird Tumler deutlich. Gemeint sind damit die Menschen, die beispielsweise Kakao für Schokoladenprodukte oder Kaffee für den Genuss am Nachmittag pflücken, und das nicht selten unter widrigen Bedingungen.

Mögliche Lösungen und die Gefahr zunehmender Fluchtbewegungen

Ein Ausweg aus dem Teufelskreis Zwangsarbeit ist mehr Aufmerksamkeit beim Konsumenten in Deutschland. So verhilft etwa der Verein Transfair und die von ihm zertifizierten Fair-Trade-Produkte den Erzeuge im globalen Süden zumindest zu einer auskömmlichen Entlohnung. Schwieriger wird es bei anderen Produkten wie Handys, Schuhen oder Bekleidung.

Ein weiterer Ansatz ist eine Spende für eine der 20 Mitgliedsorganisationen des Aktionsbündnisses. So berichtete Tümler von einem Selbsthilfeprojekt vom Frauen in Sambia. „Bildung verbessern und Perspektiven verbessern“, ist das dahinterstehende Lösungskonzept.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, gerade auch angesichts der jüngsten Fluchtbewegungen in Richtung Mitteleuropa. Die Organisatoren sehen darin eine Gefahr, dass sich die Menschen in prekären Lebens- und Einkommenslagen durch diese Entwicklung noch Konkurrenz untereinander machen. Spätestens mit dieser Erkenntnis ist das Problem „moderne Sklaverei“ auch in Deutschland angekommen, auch wenn der Begriff etwas brachial daherkommt, wie Organisator Tumler abschließend einräumte.

Autor: bfl