Köln | Zwei Brüder begehren gegen väterliche Autorität auf. Als Räuberhauptmann versucht’s der eine, durch familiäre Intrige der andere. Friedrich Schillers Klassiker „Die Räuber“ war und Folterinstrument im Deutschunterricht, auf der Bühne arbeiteten sich immer wieder Regisseure an einer zeitgemäßen Interpretation ab. Ersan Mondtags aktuelle Inszenierung im Schauspiel lässt derlei vermissen.

Mondtags größter Einfall sind die gendervertauschten Hauptrollen; doch deren Notwendigkeit erschließt sich nicht. Die beiden Schauspielerinnen allerdings lösen ihre Aufgabe mit Bravour. Lola Klamroth also Karl Moor überzeugt nicht nur durch ihr Räuberoutfit mit hohen Stulpenstiefeln, sie beherrscht auch das martialisch-macho-hafte Auftreten. Der optische Gegensatz ist Sophia Burtscher als Franz Moor: zierlich, im wallenden Kleid macht sie mit gefälschten Briefen ihren Bruder beim Vater schlecht. Am Ende überlebt keine von beiden das Spiel.

Amalie, die von Karl verlassene Geliebte, dagegen spielt ein Mann: Jonas Grundner-Culemann helfen weder sein maskulines Aussehen noch der Herrenanzug. Er muss sich von der Frau Franz vergewaltigen und später nackt vorführen lassen.

Die Notwendigkeit des Geschlechtertauschs erschließt sich nicht

Was will uns der Regisseur mit diesem Geschlechtertausch sagen? Dass Frauen genau so kämpferisch sein können wie Männer. Dass intrigantes Verhalten typisch Frau ist – auch Franz’ Helfer Hermann wurde mit einer Frau besetzt (Ines-Marie Westernströer)? Das wäre zumindest ein origineller Beitrag zur aktuellen Genderdebatte, der sich aber nicht zwingend aus der Inszenierung erschließt.

Bleibt Vater Maximilian Moor, an dem sich seine Söhne abarbeiten. Fürwahr eine jämmerliche Autorität, die Bruno Cathomas bietet. Den Erstgeborenen Karl hat er so vergöttert, dass diesem nur die Flucht blieb. Den Intrigen des eifersüchtigen Zweitgeborenen Franz kann er keinen Widerstand entgegensetzen. Ein kleiner Wicht, der beinahe von der Statue erschlagen wird, die ihn darstellt: Es darf gelacht werden – ein erfolgreicher Bildersturm sieht anders aus.

Ein Vollmond überstrahlt die parallelen Brüderwelten

So wenig Mondtag inhaltlich überzeugt (immerhin hält er sich an einen Großteil des Originaltextes), so sehr tobt er sich im bedeutungsschwangeren, von ihm entworfenen Bühnenbild aus. In der Mitte strahlt ein Vollmond, darunter meist in Nebel gehüllt die beiden Parallelwelten: links das Moorsche Herrenhaus, rechts die Welt der Räuber. Sie sind per Film in einem romantisch-herbstlichen Märchenwald mit Käuzchenschrei und Wolfsgeheul gefangen. Und unter der Großleinwand ein Wasserbassin – nasses Grab für die, die das Drama nicht überleben.

Bevor nach dreieinhalb Stunden alles zu Ende ist, wird noch ein Text von Carolin Emcke, 2016 Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, von der Leinwand herab zitiert. Thelma Buabeng im Großporträt hüllt ihn in reichlich Zigarettenqualm (nicht der einzige des Abends). Eigentlich ein starker Text, in dem sie auffordert, die Welt ohne Gräuel zu verändern, sich als Begründung für den Freiheitskampf nicht hinter anderen zu verstecken. Doch als Schlusspunkt wirkt er hier nur wie ein moralischer Rundumschlag, in dem alle Ungerechtigkeiten dieser Welt gestreift werden.

In der Pause hatten schon einige Zuschauer das Depot 1 verlassen. Der Premierenbeifall galt dem personenreichen Ensemble, vor allem Lola Klamroth und Sophia Burtscher. Die Buhs für Ersan Mondtag waren laut und deutlich.

[infobox]„Die Räuber“ – die nächsten Vorstellungen: 24. und 27. März, 5. Februar, jeweils 19.30 Uhr. Schauspiel Köln, Depot 1 im Carlswerk, Schanzenstr. 6-20, 51063 Köln-Mülheim, Karten: Tel. 0221 / 22 12 84 00, Fax 0221 / 22 12 82 49, E-Mail: tickets@buehnenkoeln.de, dazu alle Vorverkaufsstellen von KölnTicket. Kartenservice mit Vorverkauf und Abo-Büro in der Opernpassage zwischen Glockengasse und Breite Straße.

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Autor: ehu | Foto: Birgit Hupfeld / Schauspiel
Foto: Vater Moors Statue teilt die „Räuber“-Bühne: links das Herrenhaus, rechts die romantischen Wälder. | Foto: Birgit Hupfeld / Schauspiel