Köln | Im Spiel fürs Leben lernen, verschiedene Rollen ausprobieren, einen Gegner austricksen und gewinnen. Oder einfach Spaß haben. Das ist nicht nur für Kinder wichtig, sondern auch für Erwachsene. Wie das schon seit altersher „funktioniert“, ist ab Samstag Thema der Ausstellung „Im Spielrausch“ im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK).

Mit Zinnsoldaten – hier preußische Truppen aus der Zeit des Siebenjähriges Kriegs (1756-1763) konnte die Geschichte auf den Kopf gestellt werden. Foto: ehu

Masken, Puppen, Trailer, Screenshots, Bücher, Brettspiele, Theatermodelle sind zu sehen – rund 150 Exponate. Wobei ein Exponat auch schon einmal aus Dutzenden Zinnsoldaten bestehen kann. Und die Spielkegel beim „Mensch ärger dich nicht“ werden natürlich auch nicht einzeln mitgezählt. Gut 60 Prozent davon kommen aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln, die hierfür auch mit ihren Studierenden zum dritten Mal mit dem MAKK zusammenarbeitet. Viele der anderen Objekte kommen aus Privatsammlungen und von Stiftungen.

Die rund 150 Exponate reichen vom 16. Jahrhundert bis heute

Das älteste Stück ist eine gut 400 Jahre alte No-Maske aus Japan. Die jüngsten sind Videospiele aus der aktuellen Gegenwart. Doch Achtung: Spielen ist nicht, nur gucken! Lediglich ein Kasperle-Theater zu Beginn und ein Videospiel am Ende erfüllen den modernen Wunsch nach „Interaktivität“. Der Faszination der bunten Ausstellung tut das allerdings keinen Abbruch.

Aufgegliedert ist sie in – das nun ganz modern – nicht in Abteilung, sondern in sechs „Level“ (wobei man hier auch mit dem höchsten anfangen kann). Gezeigt wird, wie verschiedene Aspekte des Spiels im Laufe der Zeit unterschiedlich umgesetzt wurden – nicht zuletzt durch neue Techniken.

Beim Verkleiden verschwimmen Realität und Fiktion

Es beginnt mit der Verwandlung – durch Masken und Kostüme. Realität und Fiktion verschwimmen durch die Verkleidung – und wer es nicht selber tut, kann man sich mit den Figuren identifizieren, die etwa stellvertretend auf einer Theaterbühne stehen. Wofür hier auch Tünnes und Schäl und andere Puppen stehen. Heutzutage bieten Videospiele die Übernahme verschiedener Rollen an.

Das alles wirkt – Level 2 – durch Bewegung im Raum. Da sind die klassischen, oft sehr aufwändigen Bühnenbilder. Oder die kleine Modelleisenbahn-Anlage, die ihren Besitzer zum Lokomotivführer werden lässt. Zumindest auf den ersten Blick scheinen es da die Videografiker einfacher zu haben, sie können in der Zweidimensionalität des Bildschirms verblüffende, bewegliche Perspektiven schaffen, gegen die die surrealen Phantasien eines M.C. Escher buchstäblich platt wirken. Aus diesen „Einzelbildern“ entwickeln sich ganze Welten. Laien können sie sich mit Legosteinen konstruieren, die Computertechnik eröffnet auch hier die größeren Möglichkeiten.

Mit Zinnsoldaten lassen sich nachträglich historische Schlachten gewinnen

Und was kann man spielen? Krieg zum Beispiel. Mit historischen Zinn- oder Papiersoldaten lassen sich Schlachten nachspielen – vielleicht können kluge Strategen hier im Nachhinein den Sieger zum Verlierer machen. Klassisch ist der geistige Wettkampf beim Schachspiel – egal ob man stereogeometrische Bauhaus-Figuren oder Super-Mario und seine Kumpel ins Feld schickt.

Level 5 schließlich widmet sich den Regeln, dem Regelbruch und der „Selbstoptimierung“. Der Filmemacher Harun Farocki „verwandelt“ einen realen US-Einsatz im Irakkrieg in ein Videospiel – eine gruselige Inszenierung. Mit dem Würfel schickte man beim „Spiel des Lebens“ die Figuren übers Spielbrett und muss sich den Zufallskarten stellen.

Beim Spielen werden auch Geschlechterrollen vermittelt

Schließlich werden durch Spiele ganz subtil Geschlechterrollen vermittelt – auch heute noch. Barbiepuppen für die braven Mädchen, Pippi Langstrumpf für die aufmüpfigen. Die Jungen dürfen sich am Bildschirm als Pilot des Kampfjets F 16 üben. Eine makabre Aktualität: Eine Karte von Nordkorea wird mitgeliefert.

Schließlich – im letzten Kapitel, pardon: Level – wird der Spielrausch zum Thema. Dem kann man in dieser Ausstellung – siehe oben – kaum verfallen. Aber zu Hause warten ja wohl genug Spiele…

181.000 Euro hat die Ausstellung gekostet. Den weitaus größten Teil davon brachten Sponsoren auf wie die Kunststiftung NRW oder die Peter und Irene Ludwig Stiftung. Was fehlt, ist die Unterstützung der Global Player, die mit dem Merchandising beliebter Video- oder Rollenspiele ihr Geld verdienen.

Wegen hoher Copyright-Gebühren auf Starwars-Exponate verzichtet

Weil sie zu hohe Copyright-Gebühren verlangten, sind zum Beispiel keine Kostüme oder Requisiten der „Starwars“-Filme zu sehen. „Leider sind einige Bereiche der aktuellen Spielkultur hochkommerzialisiert und nicht an einer Auseinandersetzung mit dem Kultur-Phänomen Spiel interessiert“, kommentiert deshalb Peter W. Marx, Direktor der Theaterwissenschaftlichen Sammlung.

Kostenlos ist dagegen der WhatsApp-Guide. Er kann mit der Mobilfunknummer 0157-92 37 38 65 auf Smartphone geladen werden und bietet dann zu den Objekterklärungen auch noch Videos. Da muss der höchst informative Katalog passen.

„Im Spielrausch: Von Drachentötern, Königinnen und Pixelmonstern“ – bis 4. Februar 2018, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, 50667 Köln. Während andere Abteilungen des Museums wegen Fenstersanierungen zeitweise geschlossen werden, bleibt die Sonderausstellung geöffnet: Di-So 11-17 Uhr, erster Donnerstag im Monat bis 22 Uhr, erster Sonntag im Monat 10-17 Uhr. Geschlossen am 24., 25., 31. Dezember und am 1. Januar Eintritt: 6/3,50 Euro. Katalog: 9,50 Euro. Mehr Informationen und umfangreiches Begleitprogramm: www.makk.de

Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: „Mensch ärgere dich nicht“: Der Klassiker des familiären Spielbetriebs dürfte für manchen Krach gesorgt haben. | Foto: ehu