Wiesbaden | Nach Angaben des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter von Hanau um einen 43-jährigen Deutschen. Erste Hinweise deuteten auf ein fremdenfeindliches Motiv hin, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagvormittag im hessischen Landtag. Eine Internetseite des Verdächtigen werde aktuell ausgewertet.

Laut Beuth wurden am Mittwochabend neun Personen an mehreren Tatorten mit Schüssen getötet. Eine Person wurde zudem schwer verletzt. Außerdem gibt es eine unbekannte Zahl weiterer Verletzter.
An der Wohnanschrift des mutmaßlichen Täters wurden dieser sowie dessen 72-jährige Mutter tot aufgefunden. Laut Beuth stuft die Bundesanwaltschaft die Tat als terroristisch motiviert ein. Nach Angaben des Landesinnenministers war der Täter weder dem Landesverfassungsschutz bekannt noch polizeilich bisher in Erscheinung getreten.

Der mutmaßliche Terrorschütze von Hanau, Tobias R., hat die Tatwaffe 2014 in einem Internet-Shop gekauft. Das schreibt das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es handelt sich demnach um eine Pistole Glock 17, 9 Millimeter Luger.

Das ist derselbe Waffentyp, der 2016 bei dem rechtsextremistisch motivierten Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum verwendet wurde. Tobias R. soll den Angaben zufolge noch zwei weitere Waffen besessen haben. Dabei handelt es sich um eine Pistole vom Typ SIG Sauer, 9 Millimeter, sowie eine weitere Pistole des Typs Walther, ebenfalls 9 Millimeter, berichtet das RND. Die SIG Sauer-Pistole hat der Tatverdächtige 2014 zusammen mit der Tatwaffe legal im selben Online-Shop erworben.

Tobias R. verfügte seit Sommer 2013 über eine Waffenbesitzkarte. Die Kreisverwaltung des Main-Kinzig-Kreises in Gelnhausen hatte zuletzt vor einem Jahr die charakterliche Eignung des mutmaßlichen Terrorschützen von Hanau zum Führen von Waffen überprüft.

Seehofer und Lambrecht reisen nach Hanau

Nach der tödlichen Gewalttat in Hessen reisen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nach Hanau, um sich selbst ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Das teilte Seehofers Sprecher Steve Alter am Donnerstagvormittag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Ein Termin Seehofers in Berlin wurde abgesagt.

Merkel sagt nach Gewalttat von Hanau Termine ab

Nach der tödlichen Gewalttat im hessischen Hanau hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine geplante Reise zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle (Saale) abgesagt. Staatsminister Hendrik Hoppenstedt werde sie vertreten, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagvormittag mit. Die Bundeskanzlerin lasse sich unterdessen fortlaufend über den Stand der Ermittlungen in Hanau unterrichten, fügte Seibert hinzu.

Steinmeier verurteilt Gewalttat von Hanau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bestürzt auf die tödliche Gewalttat von Hanau reagiert. „Mit Entsetzen habe ich von der terroristischen Gewalttat in Hanau erfahren. Meine tiefe Trauer und Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen“, sagte Steinmeier am Donnerstag.

SPD-Chefin: Rechtsterroristischer Hass bedroht Gesellschaft

SPD-Chefin Saskia Esken hat die Tat von Hanau verurteilt und vor rechtsterroristischem Hass als Bedrohung für die Gesellschaft gewarnt. „Was für eine entsetzliche Tat in Hanau“, sagte Esken der „Rheinischen Post“. Es sei „zutiefst beunruhigend, dass rechtsterroristischer Hass und Fremdenfeindlichkeit, von organisierten Terrorzellen bis zu Einzeltätern, unsere Gesellschaft bedrohen“, so die SPD-Vorsitzende. „Wir sind geschockt und wir trauern. All unsere Gedanken sind bei den Opfern, Angehörigen und Freunden.“ Unterdessen forderte der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, nach der Tat von Hanau einen entschlosseneren Kampf des Staates gegen den Rechtsextremismus.

Zentralrat der Juden: Behörden haben „Sehschwäche auf rechtem Auge“

Nach der tödlichen Gewalttat in Hanau hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, den Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe gemacht. „Zu lange ist die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus verharmlost und vernachlässigt worden“, ließ sich Schuster am Donnerstag zitieren. „Polizei und Justiz scheinen zudem häufig auf dem rechten Auge eine Sehschwäche zu haben.“
Das räche sich jetzt. Für alle betroffenen Menschen sei dies eine besonders bittere Erkenntnis. „Es ist überfällig, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstehen, um die Bedrohung durch den Rechtsextremismus und weiterhin auch durch islamistischen Terror einzudämmen“, so Schuster.

Zentralrats-Chef empfiehlt Muslimen „eigene Schutzmaßnahmen“

Nach dem Terroranschlag in Hanau hat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, die Muslime in Deutschland dazu aufgerufen, vermehrt für den eigenen Schutz zu sorgen. Sie müssten „erhöht wachsam“ und zudem zusätzlich „eigene Schutzmaßnahmen“ für sich, ihre Familien sowie Gotteshäuser und Einrichtungen ergreifen, sagte er am Donnerstag. Mazyek forderte die Innenbehörden „erneut und eindringlich“ auf, die Gotteshäuser „sichtbar und qualitativ zu schützen“.
Dies gelte ebenso auch für muslimische Repräsentanten. Nur auf diese Weise könne „das Vertrauen in den deutschen Staat wieder hergestellt werden“. Diejenigen, die „Muslimfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus weiterhin nicht klar benennen oder gar verharmlosen, machen sich mitschuldig an der blutigen Gewalt gegen Minderheiten und fördern den Faschismus in unserem Land“, sagte der ZMD-Vorsitzende.
Und weiter: „Leider fühlen sich rechtsradikale Terroristen durch die jahrzehntelange Untätigkeit der Politik und Sicherheitsbehörden hinsichtlich des Schutzes der deutschen Muslime und Minderheiten, in Folge der diffamierenden Berichterstattungen in den Medien über den Islam und Migranten, ermutigt derartig mörderische Taten zu verüben.“ Mazyek wies zudem darauf hin, dass es alleine in den letzten Tagen wieder ein halbes Dutzend Bombendrohungen gegen Moscheen gegeben habe und eine rechtsradikale Terrorgruppe ausgehoben worden sei.

Autor: dts