Karlsruhe | Das Bundesverfassungsgericht hat den umstrittenen Berliner Mietendeckel gekippt. Das Gesetz sei mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig, teilten die Karlsruher Richter am Donnerstag mit. Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann, fielen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Zusammenfassung des Urteils und der Reaktionen aus Politik und Wirtschaft.

Die Länder seien nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht habe. Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht abschließend geregelt habe, sei aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum, so das Gericht. Da das Gesetz zum Berliner Mietendeckel im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regele, sei es insgesamt nichtig.

Der Mietendeckel war am 23. Februar 2020 rückwirkend zum 18. Juni 2019 in Kraft getreten. Grundlage ist das Berliner „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen“. Im Kern sah der Mietendeckel vor, die Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre einzufrieren. Mieterhöhungen um jährlich bis zu 1,3 Prozent sollten ab 2022 möglich sein. Betroffen waren rund 1,5 Millionen Wohnungen mit dem Baujahr vor 2014.

Freude und Enttäuschung nach Mietendeckel-Urteil

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Berliner Mietendeckel hat in den verschiedenen politischen Lagern unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. „Wir begrüßen das Urteil ausdrücklich, sagte Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es schaffe Rechtssicherheit für Mieter. Der ehemalige Linken-Chef Bernd Riexinger zeigte sich unterdessen enttäuscht. Die „Ausplünderung“ der Mieter solle offenkundig weitergehen, schrieb er bei Twitter.

„Wenn die Länder hier keine Kompetenzen haben (sollen), muss sich die Bundesregierung von der Lobby der Immobilienhaie lossagen und endlich etwas unternehmen.“ Die Bau-Gewerkschaft IG BAU bedauerte das Urteil des Verfassungsgerichts. „Heute ist kein guter Tag für die Berliner Mieter. Der Mietendeckel ist ein Instrument, um Vermieter in ihrem Elan zu bremsen, das Letze aus ihren Immobilien herauszuholen“, sagte der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger den Funke-Zeitungen. Gerade für profitorientierte und oft börsennotierte Vermieter war der Mietendeckel die politische Antwort auf zu viel Gier“, sagte der Gewerkschaftschef. Zugleich räumte er aber ein: „Wohnungen hat der Mietendeckel allerdings nicht gebaut.“ Deshalb sei es wichtig, andere politische Antworten zu finden.

„Und die kann nur heißen: mehr bezahlbarer und mehr sozialer Wohnungsbau.“ Der Bundesgerichtshof hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass der Berliner Mietendeckel nicht verfassungskonform ist. Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU hatten zusammen mit der FDP per Normenkontrollantrag gegen das Instrument geklagt.

Städte- und Gemeindebund begrüßt Urteil gegen Mietendeckel

Der Städte- und Gemeindebund hat das Verfassungsgerichtsurteil gegen den Berliner Mietendeckel begrüßt. „Regulatorische Vorgaben wie `Mietendeckel` sind grundsätzlich das falsche Instrument, um die bestehenden Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt zu beheben“, sagte der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). Derartige Regelungen träfen zum einen diejenigen, die in den Wohnungsmarkt investieren wollen.
„Konsequenz ist noch weniger Wohnungsneubau und damit ein viel zu langsam steigendes Wohnungsangebot.“ Mit einem „Mietendeckel“ werde keine einzige neue Wohnung geschaffen. „Instrumente wie der `Mietendeckel` bekämpfen immer nur die Symptome, gehen aber nicht die eigentlichen Ursachen des Wohnungsmangels an.“

Vermieter mit bezahlbaren Mieten seien „ein wichtiger Stabilitätsfaktor am Wohnungsmarkt“. Mit Regulierungen wie dem Mietendeckel fehle ihnen Geld für Investitionen wie etwa Klimaschutzmaßnahmen. Der Städte- und Gemeindebund rief die Bundespolitik angesichts des Urteils auf, sich statt auf die Regulierung von Mieten auf die Schaffung von Wohnraum zu konzentrieren.

„Zentrales Problem dabei bleibt die Mobilisierung von Bauland“, sagte Landsberg dem RND. „Denn wir müssen bauen, bauen, bauen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dass der Bundesgesetzgeber noch in dieser Legislaturperiode das Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedet.“ Städte und Gemeinden bräuchten sowohl tatsächliche und finanzielle, aber auch städtebaurechtliche Möglichkeiten zur Baulandaktivierung und zur Schaffung bezahlbarer Wohnungen, so Landsberg.

„Angesichts eines weiterhin bestehenden Neubaubedarfs von jährlich mindestens 350.000 Wohnungen muss die Devise lauten: Bezahlbare Wohnungen schaffen, den Bestand aktivieren und Bauland mobilisieren, aber auch die Bau- und die Planungskosten deutlich reduzieren“, so der Gemeindebundschef. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, begrüßte das Urteil zum Berliner Mietendeckel. „Es war von Anfang an absehbar, dass der Mietendeckel in Karlsruhe alleine schon wegen der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit der Länder keinen Bestand haben würde. Der Mietendeckel war von Anfang an ein sozialistischer Irrweg“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). Er sieht nun vor allem die Bundesländer in der Pflicht, mehr für bezahlbaren Wohnraum zu tun. „Die Verlängerung der Mietpreisbremse im vergangenen Jahr war deshalb die richtige Entscheidung, um den Ländern Luft zu verschaffen und ihnen Zeit zu geben, um den Wohnungsmarkt zu stabilisieren und das Problem steigender Mieten in den Griff zu bekommen. Dafür braucht es vor allem mehr Anstrengung von Ländern beim sozialen Wohnungsbau“, sagte Frei. Der Bund habe seinen Beitrag geleistet, etwa in Form des Baukindergeldes, einem höheren Wohngeld sowie beim Wohnungsbau.

Berlins Regierender verteidigt Mietendeckel weiter

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat den Mietendeckel trotz des Verfassungsgerichtsurteils weiter verteidigt. „Uns war vollkommen klar, dass wir mit dem Mietendeckel Neuland betreten“, sagte er am Donnerstag. Der Druck auf dem Berliner Mietenmarkt und die damit immer sichtbarer werdenden sozialen Verwerfungen hätten aber in der „Abwägung aller Argumente“ davon überzeugt, diesen Weg im Interesse der Mieter gehen zu müssen.

„Wir, aber auch viele Juristen, waren der Meinung, dass die Länder durch die in der Föderalismusreform 2006 zugewiesene Kompetenz für das Wohnungswesen mietenpolitisch eigenverantwortlich handeln können. Wir respektieren die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.“ Das Urteil sage jedoch nichts über die Maßnahmen des Mietendeckels aus, die man nach wie vor für richtig und notwendig halte.

„Bei dem Urteil geht es nur um die Frage der Kompetenz. Damit ist jetzt aber auch klar: Die mittlerweile bundesweit vorherrschende Wohnungsnot muss endlich energisch vom Bund bekämpft werden“, forderte der SPD-Politiker. Ein von Teilen der Koalition auf Bundesebene gefordertes Mietenmoratorium in Märkten mit angespannter Wohnlage müsse zügig auf den Weg gebracht werden.

„Das ist spätestens für die neue Bundesregierung eine der zentralen Aufgaben.“ Man werde jetzt prüfen, inwieweit man soziale Härten bei Nachforderungen an Mieter abfedern könne. Man appelliere an alle Vermieter, „sich in der nach wie vor sehr schwierigen Wohnungsmarktsituation ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu sein“.

Erste Signale aus der Wohnungswirtschaft seien bereits erfolgt und zu begrüßen. Klar sei, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften der „wichtigste Pfeiler“ für soziale Mietenpolitik im Sinne der Mieter Berlins sind. „Das galt vor dem Mietendeckel genauso wie jetzt“, so Müller. Das Land Berlin werde weiterhin für die Mieter alles in seiner Macht Stehende tun. „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten konsequent umsetzen und weiterentwickeln. Vor allem aber werden wir weiter als Land Wohnungen ankaufen.“ Es bleibe der Anspruch, auch weiterhin für schnellen und bezahlbaren Neubau zu sorgen, um den großen Bedarf an bezahlbaren Wohnraum zu befriedigen. „Ich werde zeitnah zu einem Runden Tisch einladen, um als Senat mit den zentralen Akteuren der Wohnungswirtschaft darüber zu sprechen, wie wir gemeinsam soziale Härten durch Nachforderungen vermeiden und zukünftig dafür Sorge tragen können, dass in Berlin ausreichend bezahlbarer Wohnraum entsteht und die Mieten nicht weiter unkontrollierbar steigen“, kündigte er an.

SPD fordert Mietenmoratorium

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel fordert SPD-Chefin Saskia Esken ein Mietenmoratorium. „Die SPD wird auch weiter alles tun, um Mietwucher zu unterbinden, und wo es notwendig ist, setzen wir uns für ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium ein“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeht ja nicht in der Sache gegen den Mietendeckel, sondern nur in der Frage der Zuständigkeit.“

Die Menschen, die das Leben am Laufen hielten, müssten sich auch in Zukunft leisten können, in den Städten zu wohnen, in denen sie arbeiten, so Esken.

DGB fordert bundesweiten Mietenstopp

Nachdem der Berliner Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) einen bundesweiten Mietenstopp. „Damit steigt der Druck auf die Bundesregierung, endlich wirksame Maßnahmen gegen hohe Mieten umzusetzen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ein bundesweites und auf sechs Jahre befristetes Verbot für Mieterhöhungen gehöre dazu.

Gerade in der Pandemie sei ein solcher Mietenstopp angebracht. Neben einem sechsjährigen Mietenstopp fordert Körzell massive Investitionen. „Bund und Länder müssen diese Zeit nutzen, um jährlich 100.000 Sozialwohnungen zu bauen. Dafür müssen Bund und Länder zusammen sechs Milliarden Euro bereitstellen“, sagte Körzell, der die Entscheidung der Karlsruher Richter bedauerte: „Der Berliner Mietendeckel hat gezeigt, dass mutige politische Instrumente die Lebensrealität der Menschen spürbar verbessern können.“ Das DGB-Vorstandsmitglied appellierte an die Berliner Wohnungsunternehmen, von Mietnachforderungen abzusehen. „Sie sind gerade in Zeiten der Coronakrise schlicht nicht zumutbar.“

Vonovia hatte bereits angekündigt, auf Mietnachforderungen zu verzichten. „Es wird nur wenige Mieter geben, die eine Spardose haben, in den sie diesen Teil der Miete zurückgelegt haben, wie es die Politik empfohlen hat“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch dem „Spiegel“. Vor allem nicht in diesem Jahr, „in dem wir alle wegen der Pandemie ohnehin viel Angst und Sorge haben“.

Buch wirbt dafür, dass auch andere Wohnungskonzerne dem Beispiel folgen. „Wir müssen die Situation in Berlin entschärfen. Wir können so nicht weitermachen“, sagte er.

Autor: dts
Foto: Berlin Friedrichstraße, Symbolbild