Hamburg | Die SPD ist bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg stärkste Kraft geworden, und auch FDP und AfD haben schließlich den Sprung über die 5-Prozent-Hürde geschafft. Für die AfD hatten die Prognosen und ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF am Wahlabend zunächst ein Scheitern prognostiziert. Nach Auszählung aller 1.884 Stimmbezirke kommt die SPD auf 39,0 Prozent, vor fünf Jahren waren es noch 45,6 Prozent.

Mit Stimmen zur Hamburg-Wahl am Tag danach

Die CDU verliert von 15,9 auf 11,2 Prozent, die FDP von 7,4 auf 5,0 Prozent, die AfD von 6,1 Prozent im Jahr 2015 auf nunmehr 5,3 Prozent. Kräftigster Gewinner sind die Grünen, die von 12,3 Prozent vor fünf Jahren ihr Ergebnis auf 24,2 Prozent fast verdoppeln. Die Linke legt leicht zu, von 8,5 auf 9,1 Prozent.

Die Ergebnisse für die kleineren Parteien: Die PARTEI 1,4 Prozent, Volt 1,3 Prozent, Tierschutzpartei 0,7 Prozent, ÖDP 0,7 Prozent, Freie Wähler 0,6 Prozent, „Tierschutz hier“ 0,5 Prozent, Piraten 0,5 Prozent, Humanisten 0,2 Prozent und „Gesundheitsforschung“ ebenfalls 0,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,3 Prozent, vor fünf Jahren waren es 56,5 Prozent. Damit kann die SPD in Hamburg weiterregieren und zwischen drei Bündnispartnern wählen: Besonders komfortabel wäre eine Fortsetzung von Rot-Grün, wobei die Grünen allerdings in diesem Bündnis deutlich erstarkt wären.

Deswegen könnte auch eine Koalition mit der CDU oder gar mit den Linken eine Option für Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sein – oder zumindest ein Druckmittel.

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[infobox]Die Stimmen zur Hamburg-Wahl

Politologe: Hamburg-Wahl ist „persönlicher Erfolg“ von Tschentscher

Der Parteienforscher Jürgen Falter von der Universität Mainz stuft den Wahlsieg der SPD bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg als Spezifikum des Stadtstaats ein. „Totgesagte leben bekanntlich länger“, sagte Falter der „Passauer Neuen Presse“. Der Abgesang auf die Sozialdemokraten sei viel zu früh gekommen.

Falter ist auch überzeugt, dass es nicht zwangsläufig so sein müsse, dass die Bundes-SPD für immer im Umfragetief bleibt. Dennoch sagte er: „Das Ergebnis ist ein persönlicher Erfolg des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher. Das macht der SPD auf Bundesebene Hoffnung. Diese ist aber nicht berechtigt. Das SPD-Ergebnis ist ein echtes Hamburger Spezifikum.“ Auch die Tatsache, dass die SPD so weit vor den Grünen liege, sei ein Hamburger Spezifikum, so Falter.

Der Absturz der CDU habe sich zudem seiner Meinung nach schon länger abgezeichnet. „Die letzten besseren Umfragewerte für die CDU gab es in Hamburg Ende Januar, und auch das waren nur 16 Prozent. Das hat sicher etwas mit der Führungskrise der Bundespartei zu tun. Der Abwärtstrend hatte schon vor der Krise in Thüringen eingesetzt.“ Gravierende Auswirkungen des Thüringen-Debakels auf das CDU-Ergebnis sieht Falter daher nicht.

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SPD-Generalsekretär: FDP gehört nicht mehr zur „Mitte“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat der FDP abgesprochen, eine Partei der „Mitte“ zu sein. „Man muss als FDP akzeptieren, dass man spätestens seit Thüringen, nicht mehr zur Mitte gehört. Da hat man einen Tabubruch begangen“, sagte Klingbeil in der „Bild“-Sendung „Die richtigen Fragen“.

Mit Blick auf die Wahl in Hamburg machte er deutlich: „Die Mitte ist in Hamburg eher Rot-Grün als FDP.“ Hinsichtlich der Personaldiskussion in der CDU versicherte Klingbeil, dass die SPD keinen neuen Kanzler in dieser Legislaturperiode wählen werde: „Was wir klar gesagt haben, ist: Wir sind mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin in diese Regierung gegangen. Das ist der Vertrag, den wir geschlossen. Da gibt es das Vertrauensverhältnis. Wenn die Union jetzt auf die Idee kommt, irgendwie die Kanzlerin auswechseln zu wollen, dann wird die SPD das ganz klar nicht mitmachen.“ Einen Austausch von Ministern bei der Union steht er offen gegenüber: „Jede Regierungspartei entscheidet selbst, welche Ministerinnen und Minister sie ins Kabinett schickt.“

Die Sozialdemokraten selbst sollten laut Klingbeil mit einem Kanzlerkandidaten in den nächsten Wahlkampf gehen: „Wir werden die K-Frage im Laufe dieses Jahres, da bin ich mir ziemlich sicher, klären. Wir brauchen jemanden, der uns in die Bundestagswahl führt. Es ist der Anspruch der SPD in diesem Land zu gestalten.“

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Göring-Eckardt sieht Grüne als „Anker für viele Menschen“

Die Grünen sehen sich nach ihrem Wahlerfolg in Hamburg auch als Stabilitätsanker für die Gesellschaft. „Die Grünen sind in diesen Zeiten für viele Menschen der Anker: Wir geben Mut, Halt und Zukunft“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). „Das haben wir in Hamburg gezeigt und das zeigen wir bundesweit.“

Sie sehe es als Aufgabe der Grünen, „den Menschen wieder Orientierung zu bieten und so das Vertrauen in die Politik zu stärken“, sagte die Grünen-Politikerin. „Auch im Bund haben wir den Anspruch, Politik für die gesamte Gesellschaft zu machen“, so Göring-Eckardt. „Der sensationelle Erfolg in Hamburg gibt Rückenwind für starken Klimaschutz im ganzen Land.“

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Autor: dts