Berlin | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die AfD bundesweit als „Prüffall“ ein. Das berichten mehrere Medien übereinstimmend. Der Inlandsnachrichtendienst will die Entscheidung demnach noch am Dienstag in Berlin bekannt geben. Die AfD will rechtliche Schritte einleiten. SPD und Grüne äußerten sich positiv.

Hintergrund des Beschlusses ist laut eines Berichts des „Tagesspiegels“ ein rund 450 Seiten umfassendes Gutachten. Die Behörde wird demnach nun anhand öffentlicher Äußerungen von AfD-Mitgliedern und offen zutage tretender Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären untersuchen, in welchem Ausmaß rechtsextremistische Bestrebungen in der Partei festzustellen sind. Eine Entscheidung über eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz wurde noch nicht getroffen.

Zudem stufte der Geheimdienst die AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative (JA)“ und die Vereinigung „Der Flügel“ in seinem Gutachten als „Verdachtsfall“ ein, wie der „Tagesspiegel“ weiter berichtet. Das ist eine höhere Stufe als der „Prüffall“, wobei auch nachrichtendienstliche Mittel wie eine Observation und die Kooperation mit V-Leuten sowie eine Speicherung der Daten von Personen möglich sind.

AfD will gegen „Prüffall“-Entscheidung juristisch vorgehen

AfD-Chef Alexander Gauland hat angekündigt, dass die Partei gegen die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), die AfD als „Prüffall“ einzustufen, rechtliche Schritte einleiten wird. „Wir halten diese Entscheidung des Bundesverfassungsschutzes für falsch. Wir werden gegen diese Entscheidung juristisch vorgehen“, sagte Gauland am Dienstagnachmittag in Berlin. Man habe dies bereits prüfen lassen. „Wir halten die Argumente durchgehend für nicht tragfähig“, so Gauland weiter. Man sei der Meinung, dass „ein gewisses gesellschaftliches Klima“ und „ein gewisser politischer Druck“ zu dieser Entscheidung geführt habe, so der AfD-Chef.

Politologe Arzheimer: AfD-Prüfung könnte Wähler abschrecken

Nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Kai Arzheimer könnte die AfD nach der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), die Partei genauer unter die Lupe zu nehmen, in der Wählergunst geschwächt werden. „Wenn als Ergebnis der Prüfung die Partei als Ganzes unter Beobachtung gestellt und im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden sollte, wird das etliche Wähler, die sich selbst nicht als Rechtsextremisten sehen, abschrecken“, sagte Arzheimer dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). Aktuell bestehe der „große Vorteil“ der AfD gegenüber der NPD und anderen Parteien am rechten Rand darin, „dass sie gerade nicht mit dem Makel der Verfassungsfeindlichkeit behaftet war“.

Arzheimer rechnet zudem nicht damit, dass der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nun seine Position in der Partei festigen könne. Hintergrund ist, dass der Verfassungsschutz die AfD-Sammlungsbewegung „Der Flügel“ um Höcke ebenfalls stärker ins Visier nehmen will und die Bundesparteispitze sich womöglich deshalb schützend vor ihn stelle. Entsprechende Andeutungen habe AfD-Chef Alexander Gauland bereits gemacht, berichtet die Zeitung.

An eine Stärkung Höckes glaube er nicht, sagte Arzheimer. „Die Parteiführung hat sich in den letzten Monaten intensiv darum bemüht, eine Beobachtung zu vermeiden und proaktiv einige Landesverbände der Jungen Alternative aufgelöst“, so der Politikwissenschaftler weiter. „Wenn es darauf hinauslaufen sollte, dass lediglich Höcke und seine Anhänger beobachtet werden, würde die Parteiführung sehr schnell von ihm Abrücken, und es könnte zu einer Spaltung der Partei kommen“, so Arzheimer.

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Stimmen aus anderen Parteien

SPD hält AfD-Beobachtung für unausweichlich

Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka hat die mutmaßliche Einstufung der AfD als „Prüffall“ durch den Verfassungsschutz begrüßt. „Das ist ein sehr gutes Zeichen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz unter seinem neuen Präsidenten Thomas Haldenwang in der Sache tätig wird“, sagte Lischka dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochsausgaben). Laut Lischka war der frühere Präsident des BfV, Hans-Georg Maaßen, nicht bereit, sich überhaupt mit den Bundesländern zu dieser Thematik zu verständigen. „Aus meiner Sicht ist der Schritt der Beobachtung auch unausweichlich: Große Teile der AfD befinden sich in einem stürmischen Radikalisierungsprozess“, sagte der SPD-Politiker dem RND.— — —

Grüne begrüßen Einstufung der AfD als „Prüffall“

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, hat die anstehende Einstufung der AfD als „Prüffall“ durch den Verfassungsschutz begrüßt. „Dass der Verfassungsschutz eine Beobachtung von Teilen der AfD prüft, zeigt, dass man dieser Partei ein hohes Gefahrenpotential zumisst“, sagte sie der „Welt“ (Mittwochsausgabe). „In der Tat ist es wichtig, die Vernetzung der AfD mit gewaltbereiten rechtsextremen Gruppierungen bis hin zu terroristischen Bestrebungen genau zu analysieren. Die jüngsten Angriffe der Identitären Bewegung auf Redaktionen und Parteigeschäftsstellen zeigen erneut, welches Gewaltpotential das rechtsextreme Netz im Um- und Vorfeld der AfD hat.“

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Autor: dts