Köln | Heute beginnt in Leipzig der CDU-Parteitag. Schon vor dem Parteitag meldet sich öffentlich ein vielstimmiger Chor mit Forderungen zu Wort. Eine Zusammenfassung der Wortmeldungen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lehnt eine Debatte über die Kanzlerkandidatur auf diesem Parteitag an und freut sich auf die Rede von Friedrich Merz. 

Die Positionen von Annegret Kramp-Karrenbauer

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages mit der SPD ausgeschlossen. „Es wird keine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages geben. Zu welchem Zweck auch?“, sagte Kramp-Karrenbauer in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. Auf neue Herausforderungen, etwa eine sich abschwächende Konjunktur oder Sicherheitsfragen, zu reagieren, sei „ganz normales Regierungshandeln“. Dazu brauche es keine monatelangen Verhandlungen über einen neuen Koalitionsvertrag. Gehe es hingegen darum, dass sich SPD und Union „wohler mit sich selbst fühlen, ist es nicht das, was die Bürger im Moment von uns erwarten“, so die CDU-Chefin weiter. Zuletzt hatten der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Carsten Linnemann (CDU), und die Bewerberin um den SPD-Vorsitz, Saskia Esken, eine Überarbeitung der gemeinsamen Vorhaben gefordert. Esken hatte in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion erklärt, sollte es nicht zu Neuverhandlungen kommen, müsste sie dem SPD-Parteitag andernfalls ein Ende der Großen Koalition empfehlen.

Zur Kanzlerkandidatur: „Ich bin als Parteivorsitzende diejenige, die diesen Prozess von vorne führt“, sagte Kramp-Karrenbauer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagsausgabe). Sie habe den Vorschlag gemacht: „Wir entscheiden das im Herbst 2020 auf unserem Parteitag. Wer das anders will, hat hier in Leipzig die Gelegenheit, sich zu melden.“ Das zielt auf die Bestrebungen einiger CDU-Delegierter, über die Möglichkeit einer Urabstimmung über den Kanzlerkandidaten in Leipzig eine Entscheidung zu treffen. Auf die Frage, ob sie damit rechne, dass jemand ein anderes Verfahren durchsetzen wolle, sagte sie: „Das werden wir sehen. Ich greife den Delegierten nicht vor.“ Ihre eigenen Ambitionen ließ sie dabei im Unklaren. Die CDU müsse bei der nächsten Bundestagswahl inhaltlich, personell und organisatorisch stark in den Wahlkampf gehen, viele Stimmen holen, „und alles andere sieht man dann“.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat vor dem CDU-Parteitag in Leipzig die Lage der Partei als „nicht einfach“ bezeichnet. Es war aber klar, „dass es eine schwierige Phase werden wird“, sagte Kramp-Karrenbauer in den „ARD-Tagesthemen“ am Donnerstagabend. Die Partei habe in der Vergangenheit aus gutem Grund Parteivorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand gehalten. Die jetzige Lage ist eine, „die Unruhe mit sich bringt“. Jetzt müsse die Partei weiter entwickelt werden, „auch von der personellen Breite“. „Da haben wir noch Defizite“. Es sei „in der Tat kein ganz einfaches Jahr gewesen“, sagte Kramp-Karrenbauer auf ihre Bilanz als Parteivorsitzende angesprochen. Aber sie sei „eine selbstbewusste Vorsitzende“. „Und ich wäre es nicht, wenn ich keinen Raum geben würde für Diskussionen und starke Mitglieder“.

Fürsprecher und Gegner von AKK

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Bundeslandwirtschaftsministerin, Julia Klöckner, hat ihre Partei vor dem an diesem Freitag beginnenden Parteitag in Leipzig zur Unterstützung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer aufgerufen. „Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich ja nicht ins Amt geputscht. Sie wurde von der Mehrheit des CDU-Parteitags gewählt“, sagte Klöckner den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (Freitagsausgaben).

Es sei „weder fair noch sachgerecht, jetzt – nach einem so herausfordernden Jahr – den Stab über sie zu brechen“, so die CDU-Politikerin weiter. Sie rief die CDU zur Geschlossenheit auf: „Wir können uns in der CDU gern in der Sache streiten. Aber Personaldebatten bringen uns nicht weiter“, so Klöckner.

Zur Frage, ob Kramp-Karrenbauer eine geeignete Kanzlerkandidatin wäre, sagte die Landwirtschaftsministerin: „Der oder die CDU-Vorsitzende kann natürlich den Anspruch auf das Kanzleramt haben, alles andere wäre doch auch unklug.“ Eine Festlegung auf Kramp-Karrenbauer vermied die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende jedoch. „Den Kanzlerkandidaten werden wir im nächsten Jahr bestimmen. Im Übrigen haben wir mit Angela Merkel eine Kanzlerin, die ihren Dienst bis zum Ende der Legislaturperiode versieht“, sagte Klöckner den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.

Die Kritiker und Mahner

Der Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel hat die Führungsspitze seiner Partei scharf attackiert. „Leider müssen wir feststellen, dass unser Führungspersonal bei der Bevölkerung nicht die notwendige Akzeptanz findet“, sagte er dem „Mannheimer Morgen“ (Freitagausgabe) mit Blick auf den Parteitag, der an diesem Freitag in Leipzig beginnt. „So kann es nicht weitergehen“, kritisierte der CDU-Politiker.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) fordert ihre Partei zum Start des Parteitags in Leipzig zu einem Ende der Flügelkämpfe auf und kritisiert die Werte-Union dabei scharf. „Die ständigen Versuche der Werte-Union, der CDU eine Personaldebatte aufzudrängen, gehören sich nicht. Das ist schädlich für die ganze Partei“, sagte die Politikerin der „Welt“ (Freitagsuasgabe). „Das Gleiche gilt für die Debatte über eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD. Das ist eine Partei, die es nicht einmal hinkriegt, sich von den Rechtsextremisten im eigenen Laden zu distanzieren. Um mit Markus Söder zu sprechen: Jede Tasse Kaffee mit Vertretern der AfD wäre ein völliger Irrweg für die Union.“ Prien ruft die CDU-Mitglieder dazu auf, sich von der Werte-Union zu distanzieren: „Wenn sich Menschen zusammenfinden, um sich zu engagieren, ist das ja erst mal positiv. Aber wer sich in der CDU engagieren will, sollte das in der Breite unserer Partei machen, nicht in dieser Sektierertruppe.“

Der CDU-Politiker Friedrich Merz will auf dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig eine Debatte über mögliche Lehren aus den zuletzt miserablen Wahlergebnissen seiner Partei initiieren. Es gehe ihm in der Aussprache zum Bericht der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer „zum einen um die Sachthemen, die uns als Union in den nächsten Jahren beschäftigen sollten, und zum anderen um die Frage, wie die CDU mit Blick auf die schlechten Wahlergebnisse der letzten Zeit wieder ihr volles Potential ausschöpfen kann“, sagte Merz der „Bild“ (Freitagsausgabe). Grundsätzlich wolle er sich lediglich „wie viele andere Delegierte auch“ an der Aussprache beteiligen.

CDU-Bundesvize Thomas Strobl fordert eine klare inhaltliche Kursbestimmung auf dem Parteitag in Leipzig. „Wir in der Politik sind dafür da, dass wir uns um die Themen kümmern, die die Menschen beschäftigen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Politik die Sorgen und Probleme löst, die sie umtreiben – und sie erwarten das zu Recht“, sagte Strobl der „Heilbronner Stimme“ (Freitagsausgabe).

Die Frauenfrage

Im Quotenstreit vor dem an diesem Freitag beginnenden CDU-Parteitag in Leipzig hat die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), Kompromissbereitschaft signalisiert. „In der Sache sind wir klar: Wir brauchen mehr Frauen in verantwortlichen Funktionen in der Partei. Über den Weg dorthin lassen wir mit uns reden“, sagte Widmann-Mauz der „Rheinischen Post“. Man habe „immer gesagt, dass wir uns einem Kompromiss nicht verschließen werden“, so die CDU-Politikerin weiter. Die Gründung einer Kommission, die Vorschläge für eine strukturelle Reform der Partei mache, könne ein solcher Weg sein, sagte Widmann-Mauz.

Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) appeliert in einem Gastbeitrag im „Focus“ an die Union: „Wir brauchen deshalb eine Wahlrechtsreform und Parität.“ Die CDU dürfe es „nicht zulassen, dass die Verantwortung in der Frauenfrage erneut zurückgedrängt wird“. Die Mehrheit der Bevölkerung fordere in Umfragen mehr Frauen in politischer und gesellschaftlicher Verantwortung ohne ständige Mehrbelastung, schrieb Süssmuth. „Ich hoffe deshalb, dass sich die CDU in Leipzig mit dieser problematischen Entwicklung selbstkritisch auseinandersetzt und für Veränderungen Sorge trägt“. Den Kritikern einer Quote entgegnete Süssmuth, es sei keineswegs so, dass sich „eine gleichberechtigte Verteilung von Mandaten zwischen den Geschlechtern quasi von selbst ergibt. Das Gegenteil ist der Fall. Mit Zuwarten alleine kommen die Frauen in der Union nicht an die Macht“. Süssmuth beklagte, „Frauen sind oft nur dann gewollt, wenn es ohnehin nichts zu gewinnen gibt“.

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner hat der Forderung der Frauen-Union nach einer Frauenquote bei der Aufstellung von Wahllisten eine Absage erteilt. „Selbst ein Reißverschlusssystem bei der Listenaufstellung garantiert nicht, dass am Ende gleich viele Männer und Frauen in Parlamenten vertreten sind – etwa weil vor allem Männer in den sicheren Wahlkreisen als Direktkandidaten aufgestellt werden und gewinnen“, sagte Klöckner dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagsausgaben). Es gebe andere Wege, die Beteiligung von Frauen in der Partei zu verbessern: „In meinem Landesverband legen wir Wert auf einen guten Mix und betreiben Nachwuchsförderung.“

Die Huawei-Diskussion

Der Initiativantrag von mehreren Bundestagsabgeordneten, wonach über den 5G-Netzausbau im Bundestag entschieden werden soll, wird jetzt auch von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak unterstützt. Wie die „Bild“ (Freitagsausgabe) berichtet, erklärte Ziemiak, dass er der Antragskommission vorschlagen wolle, den Antrag zum Parteitag zuzulassen. In dem Antrag heißt es unter anderem: „Die CDU Deutschlands fordert die Bundesregierung auf, zügig zu handeln und einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen, der klarstellt, welche Anforderungen an Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit Telekommunikations-Ausrüster erfüllen müssen, um sich am 5G-Netzausbau in Deutschland beteiligen zu dürfen. Vertrauenswürdig können in diesem Zusammenhang nur solche Ausrüster sein, die einen klar definierten Sicherheitskatalog nachprüfbar erfüllen, der auch beinhaltet, dass eine Einflussnahme durch einen fremden Staat auf unsere 5G- Infrastruktur ausgeschlossen ist.“

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat Verständnis für die Diskussion in ihrer Partei über den chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei geäußert. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagsausgabe) sagte sie: „Deutschland muss schnell das Mobilfunknetz – vor allem 5G – ausbauen, um als Standort zukunftssicher zu sein.“ Mit Blick auf die Debatte, die über dieses Thema auf dem Leipziger CDU-Parteitag geführt werden soll, sagte sie: „Trotzdem kann ich die Diskussion verstehen, weil es um unsere Sicherheit geht.“ Sie forderte: „Für mich ist es wichtig, dass wir klare Sicherheitsstandards definieren und belastbare Sicherheitsgarantien erhalten.“ Kramp-Karrenbauer kündigte an, dass das Thema Digitalisierung ein besonders wichtiges auf dem Parteitag werde: „Unser Ziel ist es, dass staatliche Digitalpolitik wie eine Plattform funktioniert“, sagte sie. Die CDU wolle, dass der Staat seine Ressourcen, seine Werkzeuge und sein Wissen allen anderen zur Verfügung stelle und so zum Dienstleister für Innovation werde.

Autor: dts
Foto: Annegret Kramp-Karrenbauer will eine Diskussion über die Kanzlerfrage erst 2020 zulassen.