Washington/London | aktualisiert | Nach dem Sieg der Konservativen bei der Unterhauswahl in Großbritannien hat US-Präsident Donald Trump dem britischen Premier Boris Johnson gratuliert und erneut ein Handelsabkommen angekündigt. Zum Wahlergebnis in Vereinigten Königreich mehren sich die Stimmen aus der Berliner und Brüsseler Politik. In Großritannien wird deutlich, dass Schottland einem Austritt aus der EU nicht tatenlos zusehen will.

„Congratulations to Boris Johnson on his great WIN! Britain and the United States will now be free to strike a massive new Trade Deal after BREXIT. This deal has the potential to be far bigger and more lucrative than any deal that could be made with the E.U. Celebrate Boris!“, schrieb Trump in der Nacht (US-Ostküstenzeit) auf Twitter. Nach Auszählung von 647 der 650 Wahlkreise kommen die Tories auf 362 Sitze, die Mehrheit im Parlament liegt bei 326. Labour schnitt etwas besser ab, als es die erste Prognose von BBC und anderen Sendern prophezeit hatte, verliert aber dennoch deutlich und kommt nur noch auf 203 Sitze, mindestens 56 weniger als bei der letzten Wahl.

Die Schottische SNP gewinnt mindestens 13 Sitze und kommt auf 48, die Liberaldemokraten und die nordirische DUP verlieren leicht oder halten ihr Ergebnis in etwa. Das britische Pfund und der Euro hatten schon unmittelbar mit Veröffentlichung der ersten Prognose deutlich zugelegt. Das Pfund gewann im internationalen Devisenhandel um Punkt 23 Uhr deutscher Zeit rund zwei Prozent gegenüber dem US-Dollar und 1,7 Prozent gegenüber dem Euro und hielt dieses Niveau bis zum Morgen.

Die europäische Gemeinschaftswährung gewann zeitgleich gegenüber dem US-Dollar ebenfalls sprunghaft 0,4 Prozent. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU), bezeichnete den Austritt Großbritanniens aus der EU mit dem Wahlergebnis als „endgültig“. „Ich erwarte, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bis zum 31. Januar 2020 vollzogen werden wird“, sagte McAllister der „Welt“. Es sei nun zu erwarten, dass eine „tragfähige Mehrheit der Abgeordneten“ noch vor Weihnachten für den Austrittsvertrag stimmen werde.

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Von der Leyen rechnet mit schneller Ratifizierung von Brexit-Abkommen

Nach dem Wahlsieg der Conservative Party in Großbritannien rechnet die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) mit einer schnellen Unterzeichnung des Brexit-Abkommens. Man erwarte, dass die „Ratifizierung des Austrittsabkommens gegen Ende Januar stattfinden wird. Wir sind bereit, in die nächste Phase unserer Beziehungen einzutreten. Wir möchten, dass unsere zukünftigen Beziehungen so eng wie möglich sein werden unter voller Einhaltung unserer Grundsätze“, sagte von der Leyen am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Der Europäische Rat habe der Kommission „wieder den Auftrag gegeben, als Verhandlungsführer für die nächste Phase der Gespräche zu fungieren“. Der Zeitplan sei „natürlich eine große Herausforderung“.
Man müsse sich „so bald wie möglich an die Arbeit“ machen, so die EU-Kommissionspräsidentin weiter. Man werde die „kurze verfügbare Zeit so gut wie möglich“ nutzen. Zudem sei es wichtig darauf hinzuweisen, dass Großbritannien „natürlich ein Drittland“ werde, aber „letztendlich wird das eine Partnerschaft sein, die noch nie da gewesen ist“.
Das sei nicht „das Ende“ von etwas, sondern „der Beginn ausgezeichneter zukünftiger Beziehungen zwischen guten Nachbarn“, sagte von der Leyen. Es gehe „um gleiche Spielregeln für alle“. Dazu gehörten unter anderem soziale Rechte, Umweltschutz und staatliche Beihilfen, so die EU-Kommissionspräsidentin.
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Britischer Botschafter: „Es wird keinen ungeregelten Brexit geben“

Der britische Botschafter in Deutschland, Sir Sebastian Wood, hat sich zum klaren Wahlsieg der Tories unter Premierminister Boris Johnson geäußert und geht davon aus, dass dem bereits ausgehandelten Brexit-Deal zwischen der EU und Großbritannien bis Ende Januar zugestimmt wird. „Mit einer so starken Mehrheit im Parlament, wird dieser Deal im nächsten Monat ratifiziert werden. Es wird also keinen ungeregelten Brexit geben“, sagte Wood am Freitag der RTL/n-tv-Redaktion.
Es sei wichtig, nun Klarheit zu haben. Gleichzeitig hob der britische Botschafter hervor, dass er es gut verstehen könne, dass einige Menschen in Deutschland von dem Wahlergebnis enttäuscht seien, da es immer noch Hoffnung gegeben hatte, die Briten könnten ihre Meinung zum EU-Austritt doch noch ändern. „Aber jetzt hat die Bevölkerung, haben die Wähler in Großbritannien klar bestätigt, dass sie aus der EU austreten wollen und jetzt wissen wir, dass es Ende Januar so passieren wird“, sagte Wood.
Man müsse nun entscheiden, was für ein Verhältnis Großbritannien in der Zukunft mit der EU haben wolle. „Das können wir jetzt auf positive Weise gestalten. Auf der britischen Seite ist es wichtig, dass wir die engst mögliche Partnerschaft behalten“, so der britische Botschafter.
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Sturgeon: Johnson hat „kein Mandat“ für EU-Austritt Schottlands

Nach dem Wahlsieg der Conservative Party in Großbritannien hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon das damit verbundene Votum für den Brexit „mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Der britische Premierminister Boris Johnson habe aber „überhaupt kein Mandat, um Schottland aus der EU zu führen“, sagte Sturgeon am Freitagnachmittag in Edinburgh. Es sei „ohne jeden Zweifel“ klar, dass „die Art der Zukunft, die von der Mehrheit der Schotten ersehnt wird“, sich sehr von derjenigen unterscheide, die von dem Rest des Vereinigten Königreichs gewählt worden sei, so die schottische Regierungschefin weiter.
Schottland habe die Tories und Johnson abgelehnt. „Einmal mehr haben wir Nein zum Brexit gesagt“, sagte Sturgeon. Die „überwältigende Mehrheit“ der schottischen Bevölkerung wolle in der Europäische Union bleiben.
Dieses Urteil sei bereits mit dem Referendum in 2016 gefällt worden. Zudem sei es bei der Unterhauswahl am Donnerstag „ausdrücklich bestätigt“ worden, so die schottische Regierungschefin weiter. Es sei an der Zeit, dass der britische Premierminister anfange zuzuhören.
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Röttgen: Nach Brexit droht Austritt Schottlands aus Großbritannien

Der Vorsitzende der Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), rechnet nach dem Wahlsieg der Conservative Party in Großbritannien unter Premierminister Boris Johnson mit einem Brexit Anfang 2020 sowie mit einem erneuten Plebiszit der Schotten über einen Austritt aus Großbritannien. „Der Brexit wird jetzt zum 31. Januar kommen“, sagte Röttgen der „Welt“ (Samstagsausgabe). „Gar keine Frage. Mit dieser Wahl ist im Grunde ein Plebiszit darüber erfolgt, dass der Brexit auf der Basis dessen erfolgen soll, was die EU mit der noch amtierenden britischen Regierung ausgehandelt hat“, so der CDU-Außenpolitiker weiter. Ebenso klar sei, dass es sich „nicht um ein Votum des Vereinigten Königreichs, sondern des Landes ohne Schottland handelt“, wo die Scottish National Party ihre Mehrheit weiter ausgebaut habe. Damit stehe das „nächste Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands bevor“, sagte Röttgen.
Dass die Schotten dies „mehrheitlich versuchen werden“, sei nach diesem in Schottland „ja ebenso eindeutigen, nur in die andere Richtung weisenden Wahlergebnis zu erwarten“, so der CDU-Politiker weiter. Er bezweifelt, dass sich London und Brüssel bis Ende 2020 auf einen Vertrag über die künftigen Beziehungen einigen können: „Das ist im Sinne eines umfassenden Abkommens völlig unrealistisch“, so Röttgen. Allerdings schloss er nicht aus, dass Johnson um eine Fristverlängerung in Brüssel ersuchen werde, was er im Wahlkampf immer ausgeschlossen hatte.
Die absolute Mehrheit der Konservativen mache dies aber möglich. Hätte Johnson „nur eine knappe Mehrheit bekommen, wäre er rasch unter den Druck der absoluten Brexit-Hardliner geraten. Und dann hätte er sehr schnell raus gemusst. Ich glaube aber, dass er jetzt, mit einer komfortablen Mehrheit, auch Spielräume hat“, so der CDU-Außenpolitiker weiter. Das sei „eine gute Nachricht für Europa“. Der Vorsitzende der Auswärtigen Ausschusses im Bundestag warnte, man müsse allerdings auch immer mit Störmanövern des US-Präsidenten Donald Trump rechnen. Trump werde sich nun bemühen, „die außenpolitische Orientierung Großbritanniens hin zu den USA zu lenken und eine europäische Orientierung Londons zu stören“, etwa in der Frage eines Freihandelsabkommens, sagte Röttgen der „Welt“.
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Maas rechnet mit geregeltem Brexit Ende Januar

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) rechnet mit einem schnellen geregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Der britische Premierminister Boris Johnson habe „jetzt ein eindeutiges Mandat, den Brexit zu vollziehen“, sagte Maas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). Es erscheine nun „sehr wahrscheinlich, dass der geregelte Austritt Ende Januar stattfinden wird“, so der Außenminister weiter.
Die Tories hätten eine deutliche Mehrheit im Parlament, das mit der EU verhandelte Austrittsabkommen zügig zu ratifizieren. Es sei dringend notwendig, nach vorne zu schauen. „Wir wollen, dass Großbritannien auch nach dem Brexit ein enger Partner bleibt – wirtschaftlich genauso wie in der in der Außen- und Sicherheitspolitik“, sagte Maas.
Er machte deutlich, dass die Briten auch wieder in die EU eintreten könnten. „Die Türen der EU bleiben selbstverständlich für Großbritannien offen“, so der SPD-Politiker weiter. Man habe sich „natürlich“ gewünscht, „dass Großbritannien Teil der EU sein will, aber die Entscheidung haben wir zu akzeptieren“.
Jetzt gehe es in erster Linie darum, „ein enges, ausgewogenes, faires künftiges Verhältnis mit Großbritannien zu gestalten“, sagte Maas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
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Merkel gratuliert Johnson zu „eindrucksvollem Sieg“

Nach dem Sieg der Konservativen bei der Unterhauswahl in Großbritannien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den britischen Premierminister Boris Johnson beglückwünscht. „Zu Ihrem eindrucksvollen Sieg bei den Wahlen zum Unterhaus des Vereinigten Königreichs gratuliere ich Ihnen sehr herzlich“, schrieb Merkel in einem Glückwunschtelegramm. Und weiter: „Das Vereinigte Königreich und Deutschland eint eine historische Freundschaft und Partnerschaft, die untrennbar mit der Geschichte Europas verbunden ist. Sie wird getragen von dem vielfältigen und breiten Austausch zwischen unseren Bürgerinnern und Bürgern. Diese Freundschaft und Partnerschaft zu erhalten und zu vertiefen, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Ich freue mich darauf, zum Wohle unserer beiden Länder und Europas mit Ihnen weiter zusammen zu arbeiten. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Regierung für alle anstehenden Aufgaben und die wegweisenden Entscheidungen, die vor Ihnen liegen, gutes Gelingen und viel Erfolg.“

Autor: dts | Foto: Alexandros Michailidis/Shutterstock.com
Foto: Der britische Premierminister Boris Johnson. | Foto: Alexandros Michailidis/Shutterstock.com